Weltfrauentag sollte jeden Tag sein. Denn ganz ehrlich: Von echter Gleichberechtigung sind wir noch meilenweit entfernt. Heute möchte ich deswegen auch Perspektiven fördern und das Wort an fünf inspirierende Frauen übergeben, die ich zum großen Interview anlässlich des Internationalen Weltfrauentags 2023 gebeten habe.
Surround yourself with women who would mention your name in a room full of opportunities.
Meine Interviewpartnerinnen
Annelies Loibl, Ärztin für Allgemeinmedizin und Gründerin der Kosmetiklinie ATTIÈL
Julia Furdea, TV-Moderatorin & Model
Nadja Tanzer, Geschäftsführerin moments Magazin Steiermark
Bettina Ganglberger, Gründerin bettilicious Healthy Soulfood
Victoria Eisterer, Unternehmerin Averie Graz & Ikariia
Warum braucht es einen Weltfrauentag und was bedeutet er für dich?
Annelies Loibl: Der Weltfrauentag erinnert uns daran, dass Frauen in vielen Ländern immer noch weit von der Gleichberechtigung entfernt sind und das sogar bei grundlegendsten Rechten wie Bildung und politischer Teilhabe. Auch in Österreich, wo wir insgesamt sehr privilegiert leben, gibt es noch viele Herausforderungen für Frauen. Eine große Thematik ist die ungleiche Bezahlung, selbst wenn Frauen den gleichen Job machen und die gleiche Qualifikation wie Männer aufweisen. Zudem arbeiten Frauen oft in Berufen, die niedriger dotiert sind, wie beispielsweise im sozialen Bereich. Dies hat langfristige Auswirkungen auf die finanzielle Sicherheit und Altersvorsorge von Frauen. Und daraus resultieren langfristige Folgen: Eine höhere Armutsgefährdung und gesundheitliche Auswirkungen. Der österreichische Gesundheitsreport 2022 zeigt, dass Frauen zwar im Durchschnitt länger leben als Männer, jedoch auch länger krank sind. Frauen haben häufiger chronische und psychische Erkrankungen als Männer. Die höhere Belastung im Bereich der Kinderbetreuung und Pflege von Angehörigen, die geringere Entlohnung in vielen Berufen, die höhere Armutsgefährdung von Frauen können dazu beitragen, dass Frauen häufiger unter gesundheitlichen Problemen leiden. Für mich persönlich bedeutet der Weltfrauentag, dass wir weiterhin für die Rechte und Gleichberechtigung von Frauen kämpfen, Herausforderungen ansprechen und lösen müssen, die Frauen in ihrem Privat- und Berufsleben haben. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns.
Julia Furdea: Für mich persönlich ist der Weltfrauentag ein schöner Tag. Frauen werden gesehen und die Weiblichkeit wird in den Vordergrund gerückt. Und diesen Tag braucht es (leider) noch immer, denn wir alle wissen von den globalen Missständen. In vielen Teilen der Welt haben Frauen nichts zu sagen, dürfen nicht in die Schule gehen, haben kaum Rechte. Das jüngste Beispiel im Iran hat uns gezeigt, wie schwer es in manchen Teilen der Welt ist, eine Frau zu sein. Aber auch in Österreich gibt es noch genug Probleme z.B. Erziehungsaufteilung, Gender Pay Gap oder die Altersarmut, die eher Frauen betrifft.
Nadja Tanzer: Führt man sich vor Augen, warum und aus welchen Gründen der Weltfrauentag im Jahr 1910 entstanden ist – nämlich als Bewegung mit dem Ziel, das Frauenwahlrecht in unserer Gesellschaft einzuführen – so empfinde ich auch heute, nämlich über 100 Jahre später, diesen Tag als überaus wertvoll und wichtig. Warum? Weil es um viel mehr geht, als nur das Wahlrecht für Frauen. Gleichberechtigung ist augenscheinlich im Hier und Jetzt angekommen, betrachtet man allerdings etwa den Gender Pay Gap, wird schnell klar, dass in unserer Gesellschaft noch lange keine wirkliche Gleichberechtigung gelebt wird und hier noch sehr viel Luft nach oben ist.
Bettina Ganglberger: Den Weltfrauentag braucht es (leider) immer noch, um auf die fehlende Gleichberechtigung in unserer Gesellschaft hinzuweisen. Für mich persönlich ist der Weltfrauentag wieder ein Reminder und Anstoß etwas zu TUN und mitzuwirken, in welchen Bereichen Frauen noch immer für ihre Rechte kämpfen müssen, egal ob es um faire Gehälter, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sexuelle Gewalt und Übergriffe, Abtreibung, gleiche Chance auf Ausbildung, uvm. geht.
Victoria Eisterer: Ich persönlich finde es sehr schön, dass es einen Tag im Jahr gibt der dazu anregt, darüber nachzudenken, wie großartig das weibliche Geschlecht ist. Leider ist es auch heutzutage immer noch nicht so, dass eine absolute Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern herrscht. Aufgrunddessen finde ich es gut und wichtig, dass es einen Weltfrauentag gibt an dem speziell auf solche Themen aufmerksam gemacht wird. Für mich bedeutet dieser Tag Zusammenhalt und Stärke aller Frauen. Ich bin überzeugt davon, dass wir Frauen Großartiges schaffen können und liebe es diesen Tag dazu zu nutzen, um andere Ladys zu motivieren und zu unterstützen.
Der Spagat zwischen Familie, Beruf, Haushalt und Freundeskreis ist garantiert nicht zu unterschätzen und ich wage zu behaupten, dass dieser bei uns Frauen nach wie vor stärker ausgeprägt ist als beim männlichen Geschlecht.
Nadja Tanzer
Vor welche Herausforderungen werden Frauen in deiner Branche gestellt?
Annelies Loibl: Als Ärztin hat man einen sehr langen Ausbildungsweg zu absolvieren, der nicht mit dem Studiumsende abgeschlossen ist. Meine ersten beiden Kinder kamen kurz vor und nach meinem Abschluss auf die Welt. Aufgrund fehlender Kinderbetreuung konnte ich die darauffolgende stundenintensive Spitalsausbildung nicht gleich starten und blieb zunächst die ersten Jahre bei meinen Kindern. Später, während meiner Spitalszeit, wurde ich dann mit meinem dritten Kind schwanger und war schlussendlich erleichtert, als meine mehrjährige Turnuszeit endete. Obwohl es mittlerweile Teilzeitmöglichkeiten gibt, bleibt es für Ärztinnen mit Familie eine große Herausforderung, Ausbildung und Job unter einen Hut zu bringen. Folgende Daten veranschaulichen, was ich meine: Weibliche MedizinstudentInnen machen mittlerweile ca. 61% aus, niedergelassene Ärztinnen machen nur mehr ca. 40% aus, in den Führungspositionen finden sich überhaupt nur mehr ca. 19% weibliche Primarärztinnen.
Julia Furdea: Besonders die Medienbranche ist meiner Meinung nach sehr fortschrittlich denkend. In unserer Redaktion arbeiten viele junge Menschen, die sich dieser Probleme sehr bewusst sind und sie wollen sie auch ändern. Die Herausforderungen bei mir liegen eher darin, dass ich in der Öffentlichkeit stehe. Viele Menschen haben eine (oberflächliche) Meinung von mir und drücken sie mir auch gerne auf. Es ist nicht nur einmal passiert, dass mir zu meiner Schwangerschaft gratuliert wurde (die es nie gab). Wenn man in der Öffentlichkeit steht, wird alles genau beobachtet und kommentiert: Was trägt sie, wie sieht ihre Figur aus, wie sagt sie es… Das ist der Job, das war mir von Anfang an klar. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass es bei meinen männlichen Moderationskollegen nicht so sehr ums Äußere geht. Man kann es aber auch zum Vorteil nutzen: Wenn man unterschätzt wird und man zeigt, was man wirklich drauf hat, haut das manche schon vom Hocker.
Nadja Tanzer: Ich würde nicht behaupten, dass es speziell in meiner Branche ein ausgeprägtes Ungleichgewicht in der Geschlechterverteilung gibt. Frauen werden im Mediensektor durchaus gehört, ernst genommen und geschätzt – zumindest kann ich das aus meiner eigenen Erfahrung behaupten. Natürlich kann und möchte ich aber in diesem Zusammenhang nicht sinnbildlich für alle Frauen innerhalb meiner Branche sprechen. Eine Herausforderung per se sehe ich – branchenübergreifend – sicher in der Tatsache, als Frau nahezu als „Alleskönnerin“ funktionieren zu müssen. Der Spagat zwischen Familie, Beruf, Haushalt und Freundeskreis ist garantiert nicht zu unterschätzen und ich wage zu behaupten, dass dieser bei uns Frauen nach wie vor stärker ausgeprägt ist als beim männlichen Geschlecht.
Bettina Ganglberger: Da ich seit ca. einem Jahr selbstständig bin, merke ich oft, dass Frauen für ihre Ideen öfters belächelt werden. Zusätzlich glauben viele Personen, dass hinter meinem Business ein Mann bzw. ein „Chef“ steckt und sind oft überrascht, wenn ich erzähle, dass ich das alleine mache und ich sozusagen die „Chefin“ bin. Auch bei Preisverhandlungen ist es ein großes Thema. Männer in der gleichen Branche können selbstbewusst Preise für ihre Leistungen verlangen. Bei Frauen wird hier das Thema und die Arbeitszeit oft heruntergespielt, als Hobby oder Leidenschaft betitelt und mehr so dargestellt, dass man ja froh sein könne, dass man hierfür überhaupt etwas bezahlt bekomme.
Victoria Eisterer: Leider ist die Beauty Branche oft negativ behaftet. Viele sehen diesen Beruf als minderwertig an. Vor allem meine Mitarbeiterinnen werden oft damit konfrontiert, dass Sie von oben herab behandelt werden, weil sie Kosmetikerinnen sind. Oft wird unterschätzt, was dieser Job so mit sich bringt. Wir würden uns wirklich sehr wünschen, hier ein bisschen mehr Wertschätzung zu bekommen.
Thema Leadership: Wie setzt man sich als Frau durch?
Annelies Loibl: Frauen müssen häufig erst Selbstbewusstsein und Durchsetzungsvermögen entwickeln und sich über ihre eigenen Stärken und Fähigkeiten bewusst werden. Selbstreflexion ist hierbei ebenso notwendig wie Weiterbildung in den Bereichen Kommunikation und Konfliktlösung. Mein Credo lautet stets “Heraus aus der Komfortzone”. Denn nur dann kann ich neue Erfahrungen sammeln, Fähigkeiten verbessern und mich weiterentwickeln. So finde ich schlussendlich zu meinen Stärken und zu meinem Selbst. Dann lebe ich Authentizität und kann mich auch durchsetzen.
Julia Furdea: Ich finde es schade, dass wir alle „hart sein müssen“ und uns „um jeden Preis durchsetzen müssen”. Wir sehen doch: Es funktioniert nicht. Die Menschen sind ausgebrannt, vermissen die Menschlichkeit, das Verständnis und das Miteinander. Ich bin ein großer Fan von Ehrlichkeit und Verletzlichkeit, auch im Beruf. Wie ich mich im Job durchsetze? Mit ehrlicher Kommunikation – und ich bin auch der Meinung, nur so kann es langfristig funktionieren.
Nadja Tanzer: Leadership bzw. ein gutes Leadership ist für mich offen gesagt kein Thema, welches ich auf das Geschlecht umlegen würde. Ich bin der Meinung, dass Frauen gleichermaßen wie Männer gute und schlechte Führungskräfte darstellen können. Leadership geht für mich viel mehr mit Charakter, Bildung und Empathie einher.
Bettina Ganglberger: Umso mehr Frauen es in Führungspositionen gibt, desto mehr Role Models gibt es und desto selbstverständlicher ist dieses vielfältige Bild. Frauen müssen lernen, selbstsicher ihre Leistungen, Wünsche, Probleme, etc. anzusprechen, für diese einzustehen und auch zu verlangen. Frauen wird oft gesagt, sie seien zu wenig, zu stark, zu weiblich, zu sexy, zu schwierig, etc. Tijen Onaran sagt immer: „Ich bin genau richtig. Never dim your light.“
Victoria Eisterer: Ich persönlich mache hier keinen Unterschied zwischen Geschlechtern. Aufgrunddessen, dass ich eine sehr extrovertierte Person bin, fiel es mir nie schwer, mich durchzusetzen. Als Tipp: Macht euch nicht klein und bleibt bei eurer Meinung, wenn ihr wirklich davon überzeugt seid.
Frauen müssen häufig erst Selbstbewusstsein und Durchsetzungsvermögen entwickeln und sich über ihre eigenen Stärken und Fähigkeiten bewusst werden.
Annelies Loibl
Gibt es einen Tipp, den du jungen Frauen im Beruf mitgeben möchtest?
Annelies Loibl: Ja, unbedingt: Habt Mut, euch auszuprobieren und neue Wege zu gehen! Habt Mut, Risiken einzugehen und euch neuen Herausforderungen zu stellen. Belohnt werdet ihr mit einer Fülle an Erfahrungen und Stärken.
Julia Furdea: Konzentriert euch auf euch! Man kann so leicht in den Wettkampf und ins Vergleichen verfallen – das tut sehr oft nicht gut. Steht zu euren Werten und kommuniziert sie auch. Leichter gesagt als getan. Es wird nicht immer funktionieren und das ist auch OK. Kommuniziert ehrlich – das kann wirklich viel verändern.
Nadja Tanzer: Ein Ziel und eine Vision vor Augen zu haben, ist grundsätzlich entscheidend für die berufliche Entwicklung junger Menschen. Gerade junge Frauen aber haben in der heutigen Zeit so viele Möglichkeiten, sich auch in sogenannten Männerdomänen zu behaupten. In diesem Bereich haben sich in den letzten Jahren unheimlich viele Türen geöffnet und ich kann jungen Frauen nur raten, ihren wahren und tiefsten Interessen zu folgen und diese Chancen zu ergreifen und etwas daraus zu machen.
Bettina Ganglberger: Netzwerken, netzwerken und netzwerken. Sich mit Gleichgesinnten offen und ehrlich austauschen und miteinander statt gegeneinander zu arbeiten.
Victoria Eisterer: Macht Ausbildungen, die hochwertig sind und bildet euch laufend weiter. Vor allem in der Beauty Branche gibt es dauerhaft neue Trends – informiert euch welche Dienstleistungen aktuell sind. Je mehr Ausbildungen ihr mitbringt, desto besser wird euch euer Arbeitgeber bezahlen und umso wertvoller macht ihr euch. Weiters ist es sehr sinnvoll, Befähigungsprüfungen abzulegen, damit ihr selbst Gewerbescheine habt – das ist der erste Schritt in Richtung Selbständigkeit.
Lasst uns gemeinsam unsere Stärke und Weiblichkeit zelebrieren. Wir sind alle großartige Frauen.
Victoria Eisterer
Wo gibt es noch Verbesserungsbedarf und was wünscht du dir für Frauen für die Zukunft?
Annelies Loibl: Für die Zukunft wünsche ich mir, dass es für Frauen leichter wird, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren. Für Familien wäre es wichtig, dass Arbeitsbedingungen und -kultur für alle Geschlechter familienfreundlicher gestaltet werden, um Frauen und Männer gleichermaßen die Möglichkeit zu geben, ihr Berufs- und Familienleben erfolgreich zu gestalten. Denn letztendlich sollten Frauen und Männer gleichermaßen die Freiheit haben, ihre Karriere- und Lebensziele zu verfolgen, ohne aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert oder benachteiligt zu werden. So können auch Frauen in Führungspositionen und als Entscheidungsträgerinnen stärker vertreten sein, was gesamtgesellschaftlich eine Bereicherung wäre.
Julia Furdea: Einen großen Verbesserungsbedarf gibt es ganz klar beim Thema Familie: finanzielle Hilfe rund um die Karenz fairer aufzuteilen, leistbare Betreuungsangebote, Wiedereinstieg in den Beruf zu fördern.
Nadja Tanzer: Ich denke, dass es noch einen großen Verbesserungsbedarf im Bereich der leistbaren Kinderbetreuung für alle Einkommensschichten gibt. Frauen sollten nicht vor die Wahl „Kind ODER Karriere“ gestellt werden und aus meiner Sicht die Chance haben, in ihrer Mutterrolle genauso wie in ihrem Job wachsen zu können. Ein breiteres Netz von außen wäre an dieser Stelle bestimmt mehr als hilfreich.
Bettina Ganglberger: Also beim Verbesserungsbedarf würde der Platz wahrscheinlich nicht reichen. Ich wünsche mir für Frauen für die Zukunft, dass sich Frauen mehr untereinander unterstützen und Erfolge gemeinsam gefeiert werden. Wir Frauen haben definitiv mehr zu bieten als nur das Patriachat aufrecht zu erhalten.
Victoria Eisterer: Es gibt leider noch so viel Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern. Durch meine Schwangerschaft merke ich vor allem wie aktuell und eingesessen dieses klassische Frauenbild immer noch ist. Es wird immer noch nicht als „normal“ angesehen, dass der Mann zuhause in Karenz bleibt und die Frau nach kurzer Zeit wieder arbeiten geht. Automatisch wird davon ausgegangen, dass eine Frau sowieso weniger verdient als der Mann und deshalb zu Hause bleibt. Hier wünsche ich mir wirklich eine Veränderung in unserer Gesellschaft. Ich wünsche mir für alle Frauen, dass sie für dich selbst einstehen können und sich nicht durch irgendwelche Gesellschaftlichen Vorgaben kleiner machen als sie sind. Sprecht offen über eure Wünsche, dass ist der erste Schritt in die richtige Richtung. Ich freue mich auf viele weiter Weltfrauentage. Lasst uns gemeinsam unsere Stärke und Weiblichkeit zelebrieren. Wir sind alle großartige Frauen.
Vielen Dank an meine tollen Interviewpartnerinnen! We’re in this – together!
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